Mit der Erbrechtsreform ab 1. Januar 2023 sinken die gesetzlichen Pflichtteile. Rechtsanwalt und Notar David Fuhrer beantwortet wichtige Fragen zur Reform: Was ändert sich und was bedeutet dies für Alleinstehende? Werden bereits verfasste Testamente ungültig oder müssen diese geändert werden? Und wie lassen sich die neu geltenden Erbquoten berechnen?
David Fuhrer: Erblasser können ab 2023 über mindestens die Hälfte ihres Vermögens frei verfügen, da nur noch die Ehegatten bzw. eingetragenen Partner und die eigenen Nachkommen pflichtteilsberechtigt sind. Für Letztere wirkt sich dies nachteilig aus, weil den Kindern damit insgesamt weniger zusteht. Der rechtliche Anspruch der Eltern auf einen Pflichtteil entfällt grundsätzlich, was aber in einem Testament entsprechend festgehalten werden muss, ansonsten bleibt das gesetzliche Erbrecht der Eltern bestehen. Das heisst: Wenn Sie keine Kinder haben und nicht wollen, dass Eltern (oder Geschwister, falls die Eltern schon verstorben sind) erben, müssen Sie dies in einem Testament vermerken!
Vorteilhaft ist die Reduktion der Pflichtteile für unverheiratete Paare, die sich nun grosszügiger begünstigen können. Erleichtert ist ebenfalls die Nachfolgeplanung in Familienunternehmen, weil der Betrieb nun eher ungeteilt einem einzelnen Erben übergeben werden kann. Neu sind auch grössere Zuwendungen an Ihren Herzensverein oder gemeinnützige Organisationen möglich.
«Alleinstehend» ist jeder, der ledig, geschieden oder verwitwet ist und keine Kinder hinterlässt. Allerdings hat jede Person gesetzliche Erben. Bei Alleinstehenden sind dies vorrangig die Eltern und, nach deren Ableben, die Geschwister. Unter Umständen können auch entfernte Verwandte erbberechtigt sein.
Bei der Einsetzung eines Alleinerben sind Sie ohne Ehegatten bzw. eingetragenen Partner und Nachkommen völlig frei. Wichtig ist, dass Sie die Begünstigten klar und eindeutig bezeichnen.
In den Reglementen der Pensionskassen lässt sich nachlesen, was mit den angesparten Beträgen geschieht.
Ein Tier können Sie nicht als Erben einsetzen. Sie können in Ihrem Testament jedoch den Erbberechtigten die Pflicht auferlegen, im Fall Ihres Ablebens artgerecht für Ihr Tier zu sorgen. Für den Fall einer Urteilsunfähigkeit ist es ratsam, in einem Vorsorgeauftrag Ihre Wünsche diesbezüglich festzuhalten.
Grundsätzlich ist Ihr bestehendes Testament, das vor 2023 erstellt wurde, weiterhin gültig. Wer welche Pflichtteile erhält, richtet sich aber stets nach dem geltenden Recht zum Zeitpunkt des Todes. Um Unklarheiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, bestehende Verfügungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Sollten Sie Änderungen vornehmen wollen, achten Sie unbedingt darauf, auch diese handschriftlich zu verfassen, zu unterzeichnen und zu datieren.
Bitte zögern Sie nicht, Fachpersonen beizuziehen, wenn Sie bei der Errichtung Ihres Testaments unsicher sind.