Weshalb muss ein Vorsorgeauftrag bei der KESB validiert werden? Und wann ist der Zeitpunkt für Angehörige gekommen, sich bei der KESB zu melden? Wir haben bei Yvo Biderbost «nachgehakt»: Er ist Leiter des Rechtsdiensts bei der KESB Stadt Zürich.
Yvo Biderbost: Mit der Validierung erklärt eine offizielle Stelle ein privat angefertigtes Dokument für wirksam und gültig. Das Gesetz sieht dies ausdrücklich vor – auch weil es ein klares Bedürfnis des Rechts- und Geschäftsverkehrs ist. Besonders wichtig ist es für Banken, Versicherungen, Ämter, Institutionen und andere Geschäftspartner. So ist sichergestellt, dass eine offizielle Stelle die Rechtmässigkeit der Vertretung überprüft: Somit kann nicht einfach jemand mit einem Blatt Papier am Schalter auftauchen, um für eine scheinbar urteilsunfähige Person Geschäfte abzuwickeln.
Einfach gesagt: Spätestens dann, wenn Handlungen anstehen, für die keine genügende Vertretung besteht oder für die eine vorgesehene Vertretung nicht umsetzbar scheint – etwa wegen eines Familienstreits. Bestehen gültige und zweifelsfreie Vollmachten, kann das oftmals etwas später sein oder gar nicht nötig werden. Im Zweifelsfall rate ich: Besser früh als spät. Für den richtigen Zeitpunkt gilt es zu bedenken, dass die Abklärungen und das Einholen der nötigen Dokumente nach Eingang des Validierungsgesuchs eine gewisse Zeit beanspruchen. Zudem ist der Validierungsentscheid wie jeder Entscheid der KESB bei Gericht anfechtbar. Das kann das Verfahren in die Länge ziehen – insbesondere bei Streitigkeiten innerhalb der Familie.
In aller Regel führen wir ein Gespräch mit der schutzbedürftigen Person und treffen allenfalls Abklärungen bei Angehörigen und dem weiteren Umfeld, zum Beispiel beim Heim. Es gibt klare Fälle, die keiner weiteren Klärung bedürfen. Andernfalls verlangen wir ein Arztzeugnis.
Manchmal stellt sich die Frage: Was soll passieren, wenn jemand noch nicht urteilsunfähig, jedoch unterstützungsbedürftig ist? Meist lassen sich solche Fälle mit entsprechenden Vollmachten lösen. Der Kippschalter zwischen Urteilsfähigkeit und Urteilsunfähigkeit ist nicht immer eindeutig. Eine grosszügige Interpretation der vorausgesetzten Urteilsunfähigkeit in Richtung einer Unterstützungsbedürftigkeit kann die Lösung sein. Allerdings lassen sich solche pragmatischen Lösungen meist nur umsetzen, wenn keine offenkundigen oder versteckten Spannungen in der Familie oder im Umfeld vorliegen.
In Kürze lässt sich das kaum umfassend beantworten. Die Übernahme eines Vorsorgeauftrags ist eine sehr verantwortungsvolle, aber auch sinnstiftende Aufgabe. Wichtig ist, dass man den Auftrag allein im Interesse der schutzbedürftigen Person und mit der nötigen Sorgfalt ausübt. Der bekannte oder mutmassliche Wille der betroffenen Person sollte stets ausschlaggebend sein. Wille und Wünsche sowie Werte und Interessen sind so gut wie möglich und frühzeitig zu ermitteln. Je vertrauter die Beteiligten sind, desto besser ist das normalerweise gewährleistet. Soweit möglich und sinnvoll, ist die betroffene Person in die Entscheidungen einzubeziehen. Nebst der Selbstbestimmung gilt es immer zu beachten, dass die Tätigkeiten belegbar sind – insbesondere, weil es im Rahmen eines Vorsorgeauftrags anders als bei einer Beistandschaft keine behördliche Aufsicht gibt. Vorsorgebeauftragte müssen sich bewusst sein, dass sie bei einem allfälligen Schaden gegebenenfalls persönlich haften.