Herbstsammlung Thurgau

HESA 2025_Hanni am Fenster
«Aus Einsamkeit wurde Verzweiflung …»

«... Pro Senectute half mir Perspektiven zu schaffen»

Papageien, Internet Liebe und Betrug - Die Geschichte von Hanni F.

«Guten Morgen. Guten Morgen», krächzt der Papagei Lola. Hanni wirft ihrem Vogel einen liebevollen Blick zu und geht langsam, aber sicheren Schrittes zum Fenster, aus welchem sie in ihren Garten blicken kann. Zufrieden begutachtet sie das Ergebnis ihrer Arbeit. Abgesehen von Lolas vertrauter Papageienstimme sind Hannis Tage ruhig und von Einsamkeit geprägt. Meist beschäftigt sie sich mit Gartenarbeit. Einzig mit ihrer Nachbarin hat sie gelegentlich Kontakt und plaudert mit ihr. Eines Tages sagt ihre Nachbarin etwas, das Hanni aufhorchen lässt: «Ich habe seit neuestem Facebook. Hast du das auch?» Hanni verneint und lässt sich von der Nachbarin erzählen, dass man sich auf Facebook mit vielen Menschen in Verbindung setzen und austauschen kann.

Neugierig meldet sich Hanni auf der Plattform an. Sie ist voller Hoffnung, etwas Neues zu erleben.  Anfangs hat sie noch Schwierigkeiten alles zu verstehen, aber bald schon findet sie eine Gruppe für Papageienfreunde und tritt ihr bei. Sie ist begeistert davon, Gleichgesinnte zu finden, sich mit ihnen auszutauschen und Fotos zu senden. In dieser digitalen Welt fühlt sie sich weniger allein – seit langem wird sie wieder einmal gesehen und gehört! Sie öffnet ihr Herz, teilt Erinnerungen und erzählt Geschichten aus ihrem Leben. Bald wissen ihre Papageienfreunde, wie es in ihrem Haus aussieht. Sie kennen ihr Geburtsdatum, ihren Wohnort und wissen, dass sie sich oft einsam fühlt. Die mögliche Gefahr, die Hanni damit eingeht, kennt sie nicht.

In dieser Facebookgruppe lernt sie Jochen kennen, einen gutherzigen, humorvollen Mann, der mit seinen fünf Papageien in Thailand lebt. Während sie sich über Monate austauschen, entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen. Es entsteht eine Verbindung, die Hanni nicht mehr missen möchte.
Dann, eines Tages, schreibt Jochen eine Nachricht, die sie erschüttert. «Ich habe Krebs. Die Ärzte sagen, dass ich sofort operiert werden muss. Mir fehlt aber das Geld für die Behandlung. Ich bin so verzweifelt und habe Angst! Ich weiss nicht, was ich tun soll.» Hanni fühlt sich in diesem Moment sehr hilflos. Der Gedanke, dass sie Jochen verlieren könnte, schmerzt unglaublich. Sie will ihm helfen und überweist ihm das benötigte Geld. Als er teure Medikamente braucht, überweist sie ihm immer noch mehr, bis fast ihr ganzes angespartes Geld verbraucht ist.
Nachdem sie Jochen mitgeteilt hat, dass sie ihn finanziell nicht weiter unterstützen kann, bricht plötzlich der Kontakt ab. Als auch nach vier Wochen keine Mitteilung von Jochen gekommen ist und auch seine Facebookseite gelöscht wurde, dämmert es Hanni langsam, dass sie betrogen wurde. Sie ist am Boden zerstört, wütend und traurig. Sie ist verzweifelt, dass ihre Gutherzigkeit und ihr Vertrauen so missbraucht wurden. Zudem schämt sie sich, dass sie ihre gesamten Ersparnisse verloren hat.

Dann steht plötzlich eines Tages ihre Nachbarin vor der Tür. Sie hatte Hanni schon lange nicht mehr im Garten gesehen und hat sich um sie gesorgt. Schweren Herzens und voller Scham erzählt Hanni, was ihr passiert ist. Die Nachbarin hat grosses Verständnis. Als Ortsvertreterin von Pro Senectute hat die Nachbarin an einer Schulung für Cybersicherheit teilgenommen und gelernt, dass die Betrüger in der heutigen Zeit so ausgeklügelt sind, dass solche Geschichten leider häufiger vorkommen. Sie schlägt Hanni vor, sich Hilfe zu holen. Die Sozialberatung bei Pro Senectute Thurgau kann vielleicht weiterhelfen.

Hanni fasst sich ein Herz und informiert auch ihren Sohn über die Geschehnisse der letzten Zeit. Er zeigt sich verständnisvoll und will seine Mutter zur Sozialberatung begleiten.

Die Sozialarbeiterin rät ihr, sofort die Polizei einzuschalten. Ausserdem schauen sie sich gemeinsam die finanzielle Situation von Hanni an, für die es dringend Lösungen braucht. Ohne ihre Ersparnisse bleibt ihr nur ihre AHV. Ihr Haus ist mit einer grossen Hypothek belastet, den Zins wird sie nicht mehr zahlen können. Einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat sie nicht, da sie ihre Ersparnisse so gutgläubig verschenkt hat. Sie wird also zukünftig mit dem, was ihr bleibt, zurechtkommen müssen und weiss nicht wie.

Gemeinsam mit Hannis Sohn suchen sie Möglichkeiten wie es für Hanni weitergehen kann.  Er schlägt vor, dass seine Mutter bei ihm wohnen könnte. Das Haus von Hanni soll vermietet werden. In ihrer Verzweiflung zögert sie nicht lang. Letztlich kann sie mit dieser Lösung leben, auch wenn es ihr schwerfallen wird, Haus und Garten zu verlassen.

Auch wenn Hanni immer noch traurig über das Geschehene ist, kann sie nun wieder positiv in die Zukunft sehen und ist dankbar für die viele Unterstützung.

Hinweis: Diese Geschichte beruht auf Zusammensetzungen ähnlicher Begebenheiten und Erfahrungen im Alltag unserer Beratungsstellen

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Die Erträge der Herbstsammlung leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Eigenständigkeit der Seniorinnen und Senioren. Mit den Spenden wird seit vielen Jahren das unentgeltliche Sozialberatungsangebot für ältere Menschen und ihre Angehörigen finanziert. In sieben regionalen Beratungsstellen erhalten diese in schwierigen Lebenssituationen unkompliziert Hilfe und Unterstützung, um ihre Probleme nachhaltig zu bewältigen und ihre Eigenständigkeit zu erhalten. Dieses Beratungsangebot ist nur dank den grosszügigen Spenden aus der Bevölkerung dauerhaft möglich. 

Vielen Dank an alle helfenden Sammlerinnen und Sammler sowie den Ortsvertretungen für ihren grossen Einsatz bei der Haustürsammlung.